Italiens vergessenes Las Vegas

Nachdem ich in einer Galileo-Reportage von der Geisterstadt in Italien gehört hatte, war das eine sehr spontane Sache. Meine liebste Lea gefragt, ob sie mit möchte, schon war das Hotel (oder besser gesagt die Bead & Breakfast Pension) gebucht und wir waren auf dem Weg, 3 schöne Tage in Italien zu verbringen. 

 

Alles was leer steht und wo mal was los war, interessiert mich. Es ist nur immer auch sehr zeitintensiv, solche Trips zu planen und durchzuführen, weshalb das bisher immer auf der Strecke blieb. Aber nicht dieses mal! Und es hat sich wirklich gelohnt, dorthin zu fahren und die beschissenen 2 Kilometer in der Mittagssonne zu Fuß hochzulaufen. 

 

Aber alles von Anfang an. 

Am Montag kamen wir nach 6 Stunden Fahrt (oder vielleicht auch etwas mehr) endlich in Italien an. Unsere Pension lag in Oggiono direkt am Lago di Annone in der Provinz Lecco. Eine malerisches Häuschen, das von einer sehr netten Familie betrieben wird. Begrüßt wurden wir sofort von zwei herzigen Hunden und die Freude war groß, als wir feststellten, dass wir eine Klimaanlage auf dem Zimmer hatten. 

 

Die Ernüchterung kam, als wir baden gehen wollten. Am Lago di Annone ist die Wasserqualität zu schlecht und das Freibad, das wohlgemerkt direkt vor unserer Haustüre lag, hatte noch zu - denn wir reisten direkt vor Saisonbeginn an. Auch bei unserem Ausflug nach Lecco am selben Tag konnten wir auf die schnelle kein offenes Freibad finden und die Sonne knallte von oben runter und grillte uns. Aber gut, was will man machen. 

 

So sind wir dann abends einfach noch so an den See gelegen und haben das Wetter genossen.

Dabei entdeckten wir dieses zerfallene Hotel/Restaurant. Wohl eine Baustelle, aber so im Abendlicht sah es fast aus, wie ein Lost Place. Und wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Also rüber über den Zaun und rein in das Gebäude. 

 

Das Licht der untergehenden Sonne schien direkt in das Gebäude und das sah wirklich beeindruckend aus. Halb zerfallene und kaputte Gebäude haben einfach was, ich kann gar nicht genau sagen, was mir daran so gut gefällt. 

 

Es war auf jeden Fall spannend, man entdeckt auf einmal kleinere unscheinbare Dinge, die irgendwie besonders werden. Ein alter Schlüssel auf dem Boden, kaputte Türrahmen oder Glasscherben.

 

Ich war trotzdem froh, als wir wieder rauskamen, ohne dass es jemand merkt.

Lost Place Consonno - die ehemalige Vergnügungsstadt

Aber unser eigentlicher Lost Place wartete am nächsten Tag auf uns.

 

Wir planten also, morgens früh aufzustehen (was so semi geklappt hat) und schnell zu frühstücken (was dank unserer netten Gastgeber weniger geklappt hat) um dann vor der Mittagshitze in Consonno zu sein (was gar nicht geklappt hat). Stattdessen liefen wir dank einer Schranke, die früher kam, als wir dachten, die letzten zwei Kilometer um 10.30 Uhr hoch. Und ich bin einer dieser Menschen ohne gute Kondition. Ich dachte, da komm ich nicht mehr an. 

 

Aber dann, endlich: die ersten Ruinen. Bauruinen, für mich als Laie schwer zu sagen, was das mal hätte werden sollen, denn die offiziellen Schilder vor den Gebäuden von Consonn0 kommen erst einen Kilometer später.

Auf dem letzten Bild seht ihr das Gebäude, unter dem die Straße durchführte, im Blick zurück, als ich mich nochmal umdrehte, während wir weiter nach oben Richtung Consonno liefen. Es sollte nur ein klitzekleiner Vorgeschmack dessen sein, was auf uns wartete.

"Consonno ist das kleinste und schönste Dorf der Welt"

 

So war es zumindest mal gedacht. 1962 kaufte der Unternehmer  Mario Bagno das Dorf, zwang alle Einheimischen auszuziehen, machte alles platt und baute eine neue Stadt auf, in der es Einkaufszentren und Restaurants, Festsäle und Luxushotels geben sollte. 

 

Doch nachdem ein Erdrutsch die Zufahrtstraße verschüttete, geriet die Vergnügungsstadt in Vergessenheit und sie wieder zu beleben blieb erfolglos.

 

Wer mehr darüber erfahren möchte, kann hier noch reinschauen: www.italy-villas.de/in-italien/2017/nordwesten-italiens/lombardei/consonno

Auf Weg nach oben passierten wir weitere Schilder, die uns zu einer Stadt führen wollen, die einst prunkvoll strahlte. Noch sah man nicht viel davon, sie liegt etwas versteckt zwischen den Bäumen. Wir waren gespannt, was uns erwartet. Und nach einer mehr oder weniger lustigen Begegnung mit einer etwas größeren schwarzen Schlange, die auf unserem Weg rumlag und erst wie ein Ast aussah (Gott, sind wir erschrocken :D), kamen wir endlich an.

 

Die Luft war so heiß und es war unglaublich still - fast ein bisschen gruselig.

Von dem, was Consonno einmal war, ist praktisch nichts übrig. Nachdem 2007 dort ein Rave stattgefunden hat, bei dem die Besucher die Gebäude ziemlich ramponiert zurückgelassen haben, findet sich an den Wänden kaum noch ein Fleck ohne Graffiti. An manchen Stellen lässt sich nur noch erahnen, wie es hier früher ausgesehen haben könnte - die verschnörkelte Tapete, die sich von der Wand löst, oder wunderschön verlegte Fliesen in allen Farben. 

 

Trotzdem erzählen die verlassenen Räume Geschichten, die man in der Stille hören kann. 

Das Anwesen ist recht groß, man bekommt den Überblick nur schwer, da die Natur sich überall zurückkommt. Von meinem Standpunkt aus, als ich dieses Bild geschossen habe, befindet sich hinter mir ein größerer Platz, der aussieht, als hätte man dort früher getanzt und sich an der Bar oder den Cafés drumrum abends bei einem Glas Wein oder einem Cocktail vergnügt. Es war schon komisch, dass das alles jetzt so ruhig daliegt. 

 

Weiter rechts befindet sich eine Art Brunnen. Die Architektur des gesamten Anwesens ist doch etwas eigenartig, es sind völlig verschiedene Stil- und Kulturelemente verbaut, egal ob modern oder orientalisch. 

Nach und nach arbeiteten wir uns durch die verschiedenen Räume weiter nach oben Richtung Minarett. Darunter liegen Wohnungen, teilweise noch mit einigen wenigen Möbelstücken darin. Aber auch hier, alles weitestgehend zerstört und zugemüllt. 

 

Ich wagte sogar ein Stück hochzuklettern im Minarett, aber so geheuer war mir das dann doch nicht. Und ganz ungefährlich sicher auch nicht, die Leitern sind alle verrostet und der Stein, an dem sie befestigt sind, ist brüchig. Die Aussicht war schön von dort oben, man konnte sich einen Überblick verschaffen - aber ich war froh, als ich wieder unten war. Lea hat dankend verzichtet.

Hinter dem Minarett und der einstigen Einkaufspassage liegt eine Bauruine (vielleicht eine Art Parkhaus?), eine alte Werkstatt und das frühere Luxushotel. Daneben gibt es auch einen abgesperrten Bereich, der scheinbar noch genutzt wird und weiter unten ein Restaurant/Café, das abgeschlossen war und (angeblich) Videoüberwacht (wir fanden aber keine Kameras). Und in dessen Garten eine furchtbar unfreundliche Katze.

 

Der alte Lastwagen vor der Werkstatt war ziemlich cool und diente (wie man sehen kann) unserer Belustigung. Danach ging es weiter in das alte Hotel. Und da wurde es dann doch etwas gruselig, die kalten verlassenen Räume im Erdgeschoss waren dunkel und die Gänge endlos lang. Und dann waren da noch all diese seltsamen Krankenbetten...

Wie ich später herausfand, versuchte Mario Bagno in den 80ern das Projekt wieder zu beleben als eine Art Pflegeheim - daher also die Krankenbetten. Aber auch dieser Versuch scheiterte ganz offensichtlich. 

 

Ich hab noch viel mehr Fotos gemacht, als ich hier zeigen kann, das würde einfach den Rahmen sprengen. Ich hab versucht, die schönsten rauszusuchen, die auch mein Gefühl vermitteln, das ich während meines Besuches in dieser vergessenen Stadt hatte. Als wir uns wieder auf den Weg zum Auto machten, war es, als würde man wieder in die Realität zurückkehren. Das da oben war wie eine andere Welt. 

 

Ich hoffe, ich konnte euch einen kleinen Einblick in diese Welt geben. Auf jeden Fall möchte in Zukunft weitere solcher "Lost Places" besuchen, es war ein besonderes Erlebnis und auch einfach mal was ganz anderes, als hübsche Mädels in Designerkleidern vor der Kamera zu haben.

 

Zum Abschluss gibt es noch die Glühwürmchen-Bilder, die am selben Abend noch im Garten des Eingangs gezeigten alten Restaurants entstanden. Ein Meer aus Sternen, so war das. Ich hab noch nie sowas zauberhaftes gesehen. 

Wenn ich euch noch irgendwelche Infos geben kann oder ihr Tipps für mich habt, wo ich als nächstes hinkönnte, lasst mir gerne einen Kommentar da. :)

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